Angststörungen
Angst ist ein dem Menschen eigenes und völlig normales Gefühl wie Freude, Trauer, Wut, Glück und tritt auf, wenn innere oder von der Umwelt kommende Alarmsignale den Körper und die Psyche in einen Spannungszustand versetzen, der eine rasche Reaktion sei es Verteidigung oder Flucht ermöglicht. Dieses Gefühl ist zunächst diffus, unbestimmt, kann aber in Erwartung oder Konfrontationen mit gefährlichen Situationen auftreten. wobei dann der Begriff der Furcht (vor ) zutreffender ist.
Die Angst besteht generell aus 4 Komponenten: 1. dem die Angst auslösenden Signal , sei es ein Gedanke oder eine Situation 2. den körperlichen Begleitreaktionen 3. den psychischen Reaktionen 4. dem Verhalten in der Angst zu 1.: ein Teil der Signale, die eine Angstreaktion auslösen, ist genetisch bedingt und dient als lebensrettender Schutzfaktor bei Konfrontation mit konkreter Gefahr. Der überwiegende Teil der Ängste ist jedoch erlernt und begründet sich auf individuell unterschiedliche biographische Ereignisse und deren ebenso individuelle Bewertung und Bewältigung. Dinge, die für einen Menschen banal und harmlos sind können einen anderen Menschen je nach dessen Prägungen und Bewältigungsfähigkeiten in einen Angstzustand versetzen. zu 2.: der bedrohliche Reiz löst im Organismus eine Kettenreaktion aus, die mit einer Vielzahl von Symptomen wahrgenommen wird. Im Umschaltzentrum des Hypothalamus wird der Reiz in die Großhirnrinde geleitet und dort als Information mit gespeicherten Daten abgeglichen und bewertet, gleichzeitig schüttet der Hypothalamus Botenstoffe und Stresshormone aus. Die Hypohyse veranlasst die Nebennierenrinde zur Produktion von Nor-Adrenalin, Adrenalin und Cortisol., die dann zu den angsttypischen, biologisch normalen Reaktionen führt: Beschleunigung von Atmung und Herzfrequenz, Anstieg des Blutdrucks, Schweißbildung, Gänsehaut, Mundtrockenheit, Muskelanspannungen. Der Organismus wird so in die Lage versetzt, schneller auf Gefahrenmomente zu reagieren. zu 3.: Angst ist grundsätzlich ein Zustand, der als unangenehm empfunden wird, insbesondere dann, wenn die beschleunigten Gedanken nicht sofort einen Ausweg aus der Situation finden, diese in ihrer Bedrohung als sich steigernd erlebt wird und so als innerer Reiz die Gesamtreaktion weiter aufschaukelt. Die Wahrnehmung der körperlichen Symptome in sich kann der Angst neues Substrat zuführen mit dem Gefühl der Hilflosigkeit, des Kontrollverlustes, der Lähmung und sich so zur Panik und Todesangst steigern. Diese Hilflosigkeit wird verstärkt durch die über den Kopf erlebte Irrationalität der Angst bei Verlust der Fähigkeit, mit dem Verstand den Bauch in den Griff zu bekommen. zu 4.: Dem Verhalten in der Angst, der Angstbewältigung, kommt eine wichtige Rolle zu. Ein aktives Handeln, eine sinnvolle Strategie gegen die Bedrohung, nutzt die erhöhte körperliche und psychische Spannung sinnvoll aus und blockiert das die Angst verstärkende Gefühl der Hilflosigkeit. Auch eine Flucht kann eine durchaus sinnvolle Strategie bedeuten, wenn es sich um eine einmalige Bedrohung handelt, bei der aktiver Widerstand nicht möglich ist. ***** Ein für die Entwicklung von Angststörungen wesentliches Element ist die Angsterwartung. Das Ausmaß der Angstreaktion hängt ab von dem Spannungszustand, in dem man sich schon zuvor befindet; je ausgeglichener und gelassener der Ausgangszustand ist desto weniger heftig wird die Angst erlebt. Sieht man einer belastenden Situation jedoch aufgrund individueller negativer Prägungen bereits mit erhöhter Spannung und Erregung entgegen ist die Auslöseschwelle für das Angstsignal reduziert. Die schon vorgebahnte und erlernte Angst vor der Angst führt dazu, dass durch die Vorstellung alleine schon im inneren Befinden und den körperlichen Reaktionen die Gefahrensituation erlebt wird, obwohl sie noch gar nicht ansteht. Als kurzfristige Lösung ermöglicht es uns unsere Intelligenz oft, die auslösende Situation zu meiden, sie zu umgehen. Diese Taktik wird belohnt durch das Abklingen des quälenden Angstgefühls und die Erleichterung. Mittel- und langfristig jedoch verbaut man sich die Möglichkeit, eine falsch übersteigert wahrgenommene und erwartete Situation adäquat zu bewerten und geeignete Bewältigungsstrategien zu erwerben. In der Vermeidung der Auslösesituation bestätigt man sich aus Angst vor der Angst seine Hilflosigkeit und schreibt den Belastungsfaktoren eine irrationale und überzogen gefährliche Potenz zu. Als Konsequenz zeigt sich dann eine zunehmende Ängstlichkeit mit permanent überhöhtem Spannungspegel und einer Generalisation der Angsterwartung auf andere Situationen und Lebensbereiche.
***** Angstkrankheiten
Wenn Angst auch zu unseren biologisch
und psychisch normalen Phänomenen gehört kann sie doch Formen annehmen,
die Krankheitswert bekommen. Von solchen Angstkrankheiten oder
Angststörungen sprechen wir, wenn
Häufigkeit und
Folgen:
Da Ängste mit einem hohen Schamgefühl
besetzt sind ist den Betroffenen oft nicht bewusst, dass sie mit diesem
Problem nicht allein sind. Während jeder Mensch vorübergehende
Alltagsängste unter Stress erlebt treten Angstkrankheiten bei ca.
13% der Bevölkerung auf.
Halten diese Störungen über Jahre an
so kommt es zu schweren seelischen und körperlichen Schäden, die sich
organisch bei der permanent überhöhten Ausschüttung der Stresshormone mit
Magen-Darmgeschwüren, Bluthochdruck, Gefäßleiden, Stoffwechselstörungen,
chronischen Schmerzen manifestieren können. Psychisch gehen
anhaltende Ängste neben körperlichem Unwohlsein, Schwäche, fast immer mit
Depressionen einher, die letztlich dann in den Vordergrund des seelischen
Erlebens treten können. Im Sinn falscher Selbstmedikation kommt es
gehäuft zu Alkohol- und Drogenmissbrauch, Medikamentensucht, Rückzug in
die soziale Isolation.
*****
Die Angstkrankheiten sind hinsichtlich Ihres Auftretens, Ihres
Erscheinungsbildes und ihrer Behandlungsmöglichkeiten kein einheitliches
Bild, sondern setzen sich aus verschiedenen Störungen
zusammen:
a) Panikstörung
bei den Panikstörungen kommt es
plötzlich und ohne unmittelbare seelische oder situative Auslöser zum
Zustand schwerster Angst mit dem Bewusstsein, die Kontrolle über den
Körper zu verlieren, zu sterben. Innerhalb von Minuten tritt Herzrasen,
Erstickungsgefühl, Muskelschwäche, Schweißausbruch, Harndrang, Schwindel,
Kollapsgefühl auf, wobei die i.A. nach 15-30 min wieder abklingen. Dieser
Zustand, vor allem bei mehrfach wiederholtem Auftreten, wird dann mit
extremer Erwartungsangst bzgl. eines erneuten Auftretens gekoppelt.
Im Fehlen jeder begreifbaren Ursache projiziert man das Erlebnis dann an
die Situation, in der es erstmalig auftrat und entwickelt dann die o. a.
Vermeidung dieser Situation mit Generalisation der Ängste auf
vergleichbare Auslösemöglichkeiten. Die Folge ist eine permanent erhöhte
Angstbereitschaft und eine erhebliche Einengung des
Aktivitätsradius.
Solche Panikzustände können ein- oder
mehrfach auftreten, neigen im allgemeinen jedoch zur Chronifizierung
und werden dann meist von schweren Depressionen begleitet. Bei 50-70 % der
Betroffenen kommt es im Laufe von Jahren zu einem Nachlassen der
Häufigkeit, wobei dann aber bei den meisten Patienten eine
Agoraphobie sich auf die Panikstörung aufpfropft und in der
Vordergrund des seelischen Erlebens tritt. Auch ohne
Begleitdepression ist die Selbsttötungsgefahr höher als beim Durchschnitt
der Bevölkerung.
Als eine wesentliche Ursache der
Störung wird eine Fehlbalance in einem Alarmzentrum des Gehirns, dem
Nucleus Coereulus in Verbindung mit einem gestörten
Stoffwechsel bestimmter Botenstoffe angenommen. Für die Störung ist
eine genetische Belastung eindeutig nachgewiesen. Die Panikstörung
findet sich bei ca. 3% der weiblichen und 1,8% der männlichen Bevölkerung;
bei genetischer Belastung liegt die Zahl bei ca. 20 %.
b) Generalisierte
Angst
Diese Form der Angststörung entwickelt
sich langsam schleichend, tritt häufig auf im Kontext zu schweren
organischen Leiden oder zu lang anhaltenden seelischen Belastungen. Im
Allgemeinen treten die Angstzustände nicht attackenartig auf. Es
kommt zu andauernden Befürchtungen um alle möglichen Dinge und
Situationen, Ängsten um nahe stehende Menschen, Ängsten bezogen auf alle
Aspekte des Alltags. Die permanente Erwartung einer drohenden
Katastrophe geht einher mit innerer Anspannung und Nervosität, diffusem
Angstgefühl, Beklemmungen, Kloß im Hals, beschleunigtem Herzschlag,
Schwitzen, Zittern,
einer Vielzahl von körperlichen
Symptomen, die ihrerseits als Krankheit wahrgenommen
die Ängste verstärken. Der Schlaf ist
durch ängstliches Grübeln gestört. In der permanenten Überflutung
des Körpers mit den Stresshormonen ist der Grundspannungszustand dauerhaft
erhöht, so dass neben einer reduzierten körperlichen Belastbarkeit schon
banale Ereignisse die Angst sprunghaft ansteigen lassen. Auch hier besteht
die Gefahr einer Entwicklung zur Depression oder eines
Substanzmissbrauchs.
Die eigentliche Ursache der
generalisierten Angst ist unklar, Erbfaktoren scheinen bei dieser Störung,
die bei etwa 7-10% der Menschen vorkommt, eine Rolle zu spielen. Negative,
angstbildende Lebensereignisse können eine g. A. auslösen oder
verstärken.
c) Phobien
Bei den Phobien handelt es sich um
situativ ausgelöste Angstzustände, die in einer bestimmten Konfrontation
mit dem spezifischen Reiz oder schon bei dessen Vorstellung
auftreten.
Neben dem Gefühl sich bis zur Panik
steigernden Angst treten die o. a. körperlichen Symptome in so quälender
Intensität auf, dass der Betroffene die Auslösesituation zu vermeiden
trachtet. Über das Andauern der Störung neigen auch diese
Angstformen zur Generalisation auf andere Bereiche, bis die gesamte
Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit deutliche Einbussen zeigt. Etwa 5
% der Population leiden an diesen Störungen, bei Frauen tritt die Phobie
fast doppelt so häufig auf.
Die Bezeichnung der Phobien richtet
sich nach dem Objekt, das die Furcht auslöst ( Hunde-Phobie,
Spinnen-Phobie ).
Die Agoraphobie
(Platzangst) tritt auf in Situationen, in denen der Betroffene das
Gefühl hat, einer drohenden Gefahr nicht entkommen, nicht fliehen zu
können (U-Bahn, Aufzug, Kaufhaus, Menschenansammlung) < analoge
Bezeichnung Claustrophobie >. In solchen Situationen
treten sich bis ins Extreme steigernde Ängste auf, aufgrund derer wieder
die Auslösesituation vermieden wird, bis sich der Aktionsradius völlig
einengt und der Verlust an Lebensqualität und Verstärkern Depressionen
bahnt.
Die Agoraphobie bildet sich oft im
Anschluss an eine Panikstörung aus; konkrete Ursachen lassen sich
selten nachweisen. Auch diesen Störungen wird eine familiäre
Disposition zugesprochen.
Bei der Sozialen Phobie steht
im Vordergrund die Angst vor anderen Menschen mit der Befürchtung,
abgewertet, verspottet zu werden, sich zu blamieren, peinlich zu wirken.
Schon in der Erwartung, vor Menschen sprechen zu müssen, beobachtet zu
werden, insbesondere aber in der Situation direkt treten die o. b.
Angstgefühle und körperlichen Symptome auf, die auch wieder in der
Vermeidung kurzfristig nachlassen, langfristig aber die soziale
Kompetenz so völlig zerstört wird. Diese Phobien treten oft schon in
der Kindheit als extreme Schüchternheit auf. Eine Hauptgefahr der
Sozialen Phobie liegt neben der mangelnden Entfaltungsfähigkeit der
Persönlichkeit in der Entwicklung einer Alkoholkrankheit, weil der
gesellschaftlich geförderte Konsum von Alkohol die Ängste kurzfristig
reduziert (locker macht).
*****
Wege
aus der Angst
![]() jedoch einer Therapie zugänglich
ist.
Zu
dieser Therapie gehört, dass man lernt, sich mit therapeutischer Hilfe den
Ängsten zu stellen und die
furchterzeugenden Erwartungen und
Bewertungen zu korrigieren. Die Wahrnehmung körperlicher
Symptome
sollte durch das Verständnis der
biologischen Reaktionen "entschärft" werden, wobei auch sportliche
und den Körper trainierende Maßnahmen die Grund-
spannung sinnvoll absenken
können. Je nach den Ursachen oder Begleitumständen der Angst müssen
psychotherapeutische Interventionen Konflikte und Belastungen reduzieren,
Selbstvertrauen und Stärke
aufbauen. In der therapeutisch
gesteuerten und geschützten Konfrontation mit den Ängsten wird ein Weg aus
dem Vermeidungsverhalten zur aktiven Angstbewältigung
eröffnet.
Begleitend wird es oft sinnvoll sein,
im Rahmen einer medikamentösen Therapie vorzugehen. Hierzu kommen
je nach Art der Angststörung verschiedene Medikamente in Betracht,
insbesondere aus der Gruppe der neueren Antidepressiva. Die
möglicherweise auftretenden Nebenwirkungen sind harmloser Art und fast
immer nach einigen Tagen der Behandlung abgeklungen, eine
Abhängigkeitsgefahr besteht dabei nicht. Vor allem zu Beginn der
Therapie kann es sinnvoll sein, angstblockierende Mittel zu verordnen, die
bei zunehmendem Behandlungserfolg wieder abgesetzt werden
können.
Sprechen Sie offen mit Ihrem Arzt er
wird mit Ihnen die Möglichkeiten der Behandlung erörtern und einen auf Sie
abgestimmten individuellen Behandlungsplan aufstellen
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